Iuris, nicht Juris bitte

Ein Gastbeitrag von Montserrat Varela*

Die vier Kolleginnen von IurisTranslate haben sich diesen Namen gegeben, weil sie … eben ja, juristische Übersetzungen anbieten. Das Problem, wie sich erst später herausstellte:  Wer nach ihnen sucht, schreibt Juris oder juris in die Suchmaschine. Doch was bedeutet das Wort iuris eigentlich? Wie viele andere Wörter sind daraus entstanden?

Eine etymologische Spurensuche.

Warum iuris und nicht juris?

Das Team von iurisTranslate hat in diesem Beitrag der Kollegin Marta Pagans die zwei wesentlichen Motive für die Namensgebung ihres Netzwerkes genannt:

  • die Dienstleistung sollte auf Anhieb erkennbar sein
  • es sollte sowohl für deutsche als auch für spanische Kunden verständlich sein

Das lateinische Wort versteht sowohl die deutsche als auch die spanischsprachige Kundschaft.

Aber damit werden sie oft nicht gefunden. Deutsche Kunden suchen zum Beispiel nach „juristische Übersetzungen“, und spanische vermutlich nach „traducciones jurídicas“, wie juris eben.

Außerdem ist IurisTranslate ein Markenname. Menschen auf Google suchen bei einer Dienstleistung nur nach Markennamen, wenn diese beispielsweise Facebook oder Nike heißen. So sehr wir uns vom Herzen wünschen, dass IurisTranslate irgendwann zu den Einhörnern der digitalen Welt gehören – so weit sind die vier geschätzten Kolleginnen noch nicht (!)

Was bedeutet „iuris“ eigentlich?

Iuris kommt aus dem Lateinischen und ist das Genitiv Singular des Wortes ius, das wiederum „Recht, Satzung, Gesetz“ bedeutet, aber auch Gericht.

Wie die meisten Sprachen Europas, gehört Latein der Sprachfamilie des Indogermanischen an, eine rekonstruierte Protosprache für spätere, dokumentierte Sprachen wie Latein, Griechisch, Persisch, die slawischen Sprachen und auch alle germanischen Sprachen (Deutsch, Englisch, skandinavische Sprachen).

Ius oder jowos (Schwur, Gesetz) aus dem Proto-Italischen (eine Vorstufe des klassischen Lateins) sind laut Forschung mit dem Sanskrit yos (Justiz, Gesetz) und mit dem noch älteren, rekonstruierten hey (Leben, Lebenskraft, Ewigkeit) verwandt.

Die XII Tabeln

Das Wort ius erscheint schon im ältesten Gesetz der römischen Geschichte. Es sind die sogenannten XII Tafeln, die etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. entstanden sind.

Sie dienten zum ersten Mal der Rechtssicherheit durch Offen- und Festlegung von Rechtssätzen. Historisch gesehen stellen sie die ersten Ansätze des Prozessrechts dar, sowie vom Zivil- und Strafrecht, die damals noch nicht voneinander getrennt waren.

Ein Zitat aus der Tafel I gibt einen Einblick auf die damalige Verwendung des Wortes ius:

(1) Si in ius vocat, ito. Ni it, antestamino. Igitur em capito.

Übersetzung: Wenn er [der Kläger] vor Gericht ruft, muss er [der Beklagte] gehen. Wenn er nicht geht, sollen sie Zeugen aufrufen. Danach soll er ihn ergreifen [der Kläger den Beklagten].

Hier wird klar, dass ius nicht nur im Sinne von „Recht“ verwendet wird, sondern auch im Sinne von Gericht oder Gerichtsplatz. Denn damals war die Ladung Sache des Klägers. Der Kläger musste also selbst dafür sorgen, dass der Beklagte auch vor Gericht erschien.*

Das bringt uns übrigens zum Wort iudex (aus ius dicere): Der Richter, was im Spanischen das Wort „juez“ hervorgebracht hat. Der juez ist also derjenige, der ius, also Recht, spricht (dicere).

Das Jus

Wussten Sie, dass es in der deutschen Sprache das Wort Jus gibt?

Wenn Sie aus Österreich oder der Schweiz sind, wussten Sie es schon. Die Herkunft ist selbsterklärend.

Im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache finden Sie eine sehr ausführliche Eintragung mit Beispielen der Verwendung im Internet, wie zum Beispiel dieses Zitat:

Die Moderatorin belehrte ihren Gast, dass »Jus«
in Deutschland «Jura« heißt und tadelte seine Studienleistungen: «Sie haben keinen Abschluss?!«“
 

[Welt am Sonntag, 21.01.2018, Nr. 3] 

Warum schreibt man auf Deutsch Juris?

Im klassischen lateinischen Alphabet gab es den Buchstaben J nicht, genauso wie ursprünglich andere Buchstaben wie G, Y oder Z auch nicht vorhanden waren. Diese wurden im Laufe der langen Geschichte des römischen Reiches hinzugefügt.

Die Buchstaben Y und Z zum Beispiel wurden ab dem 2. Jahrhundert vor Christus übernommen, nachdem Griechenland in das römische Staatsgebiet eingegliedert wurde.

Sie wurden zunächst für griechische Wörter verwendet (z.B. cyclus oder zona), und ihr griechischer Ursprung ist wohl auch der Grund, warum sie am Ende des lateinischen Alphabets platziert wurden.

Der Buchstabe J

Der Buchstabe J kam im Mittelalter auf. Genauso wie V und U, die ursprünglich nur den Laut „u“ darstellten, galten I und J zunächst nur als Varianten des gleichen Lautes „I“.

Eine förmliche und offizielle Unterscheidung von V und U sowie I und J als jeweils unabhängige Buchstaben erfolgte erst während der Renaissance für die Sprachen Französisch und Italienisch.

In diesen beiden Sprachen nämlich entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte aus einem J der Laut „g“, wie z. B. Französisch julliet (Juli) oder der italienische Fußballclub Juventus Turin.

Andere Sprachen folgten, darunter die deutsche Sprache. Da im Deutschen aber keine so große Ausdifferenzierung bestand, war der Bedarf nicht so dringend und der Buchstabe J wurde erst nach der Renaissance übernommen.

Dennoch hatte (und hat immer noch) die deutsche Sprache den Halbvokal „j“, der vor allem am Wortanfang vorkommt, wie juris, Juristin oder Jurisprudenz, aber auch in Wörtern wie Boje.

Die erste Rechtsschreibreform 1901

Aus diesem Grund wurde bei der Konferenz zur Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung “im Jahr 1901 festgelegt, dass die Buchstaben I und J typografisch zu unterscheiden sind.
Diese Konferenz ist übrigens besser bekannt dafür, dass zu diesem Anlass die Orthografieregeln von Konrad Duden für alle damaligen deutschsprachigen Staaten verbindlich wurden.

In diesem Beitrag finden Sie schließlich eine ziemlich lange Liste mit Wörtern auf einen Blick, die auf Deutsch mit J beginnen. Darunter, selbstverständlich, Jura oder Jurist. ((https://zeichenmanufaktur.de/tipps_rdrwortliste_j_korrektur_lektorat.html))

Juris allerdings nicht. Im Duden erscheint es nur im Eintrag „Quaestio Iuris, Quaestio Juris, die“: Die Untersuchung einer Straftat hinsichtlich ihrer Strafwürdigkeit und tatbeständsmäßigen Erfassbarkeit.

Mit iuris bzw. juris verwandte Wörter

Aus dem Lateinischen iuris, was manche fälschlicherweise juris schreiben, sind also viele weitere Wörter abgeleitet worden.

Die Wortfamilie ist groß: Jura, gebildet aus der Pluralform von ius, iura (Rechte), oder juristisch natürlich, die Rechtswissenschaft oder Rechtsprechung betreffend (Duden).

 

Hier eine kleine Auswahl:

  • Judikative: Die richterliche Gewalt im Staat, neben der Exekutive und Legislative.
  • Justiz: Das Rechtswesen, bzw. die Rechtspflege, aber auch die Rechtsprechung durch die staatlichen Organe.
  • Justiziabel: einer Gerichtsbarkeit oder einer richterlichen Entscheidung unterworfen
  • Jurist, Juristin: Person, die Rechtswissenschaften studiert hat bzw. auf diesem Gebiet arbeitet.
  • Jurisdiktion: Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit, Gerichtshoheit. Aus iurisdictio, Zivilgerichtsbarkeit.
  • Jurisprudenz: Rechtslehre, Rechtswissenschaft, aus ius und prudentia (Einsicht, Klugheit, Wissenschaft)
  • Juristerei: Rechtswissenschaft, Tätigkeit der Juristinnen und Juristen. Oft scherzhaft oder gar abwertend verwendet.
  • Jury: Kollegium von Sachverständigen als Preisrichter bei sportlichen, künstlerischen usw. Wettbewerben oder Quizveranstaltungen. Aus dem Englischen, das wiederum aus dem Altfranzösischen entlehnt wurde (jurée, die Versammlung der Geschworenen, zu Latein iurare, schwören).

Fuente: Hähnchen, Susanne (2021): Rechtsgeschichte. Von der Römischen Antike bis zur Neuheit. C.F. Müller Verlag, S. 18-20.

Kennen Sie weitere Begriffe aus dem Wort Iuris? Wir würden uns freuen, neue Begriffe zu lesen und zu lernen. Wenn Sie mehr über Iuris erfahren möchten, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren oder unsere Profile auf LinkedIn oder Instagram zu besuchen.

Dieser Artikel, der sowohl unsere Ziele bei der Namensgebung dieses Projekts IurisTranslate als auch den Ursprung des Begriffs Iuris perfekt erklärt, wurde dank der Unterstützung von:

Montserrat Varela, (Puntoyparte.de), hat Germanistik an der Hochschule Universitat de Barcelona, Spanien, studiert. Sie übersetzt und lektoriert vom Deutschen und Englischen in ihre Muttersprachen Spanisch und Katalanisch in den Bereichen Marketing bzw. Unternehmenskommunikation, Technik und Recht. Im Jahr 2022 hat sie die ersten zwei staatlichen Prüfungen zum staatlich geprüften Übersetzern beim Land Hessen absolviert (drei insgesamt). 

In ihrem Privatleben kocht sie und liest sie gern oder sie schaut ihre Lieblingsserien.

Nach oben scrollen